BOM DIA PORTUGAL – wir sind zurück! Nach unserem Jahr mit FRODO in Lissabon gibt es nun ein Wiedersehen mit Portugals Westküste. Unsere Wunschliste ist lang: Porto mit Portweinverkostung, Nazaré mit seinen legendären Riesenwellen und ein Wiedersehen mit Lissabon. Doch der Atlantik wird andere Pläne für uns haben…
Schaukelnd in den Süden – fliegende Bücher, tanzende Bojen und Materialbruch an der Portugiesischen Westküste
Rock & Roll vor Porto
Endlich wieder Segelwetter! Zum Sonnenaufgang in Bajona setzt sich heute eine ganze Armada in Bewegung, raus auf den Atlantik und in Richtung Süden. Unser Ziel: Porto, Weinmetropole und Magnet für Touristen aus aller Welt. Ex Hurrikan Erin hatte in den Tagen zuvor das Wetter durcheinandergewirbelt. Hohe Wellen, Regen, Sonne – Aprilwetter im September. Eine kleine Genugtuung, sogar der Start die Globe Race 40 wurde wegen des Wetters um 4 Tage auf gestern, den 4.9.2025, verschoben.
Auf unserem AIS sehen wir einige Namen unserer Mitsegler: Nebula, Ventura, Bifrost, Zeezot, Tide, Arabella und Hera. Fast klingt es wie ein Reigen aus einer alten Seemannssaga. Es ist spannend zu beobachten, wie unterschiedlich die Strategien an diesem Morgen sind: Manche Segler probieren ihr Glück dicht unter Land in der Hoffnung auf eine Brise, andere setzen gleich auf den Motor. Wir entscheiden uns für den goldenen Mittelweg: Großsegel gesetzt – gegen das Rollen – und den Motor brummend im Hintergrund. „Motorsegeln" nennen böse Zungen das. Uns ist's egal – Hauptsache der Kaffee bleibt in der Tasse.
Die Windvorhersage erweist sich abermals als sehr grobe Schätzung. Der versprochene Segelwind kommt statt 11:00 Uhr erst gegen 13.00 Uhr. Und als wollte er die Verspätung ausgleichen, bläst er dann statt mit moderaten 15 gleich mit sportlichen 25 Knoten. So rauschen wir zum Industriehafen nördlich von Porto. Die Wellen werden immer größer, statt vorhergesagter 1,5 m sind es schließlich ansehnliche Berge mit bestimmt 3 Metern Höhe. FRODO rollt mit Schwung von links nach rechts, unser Butterdose fliegt durch die Galley und seltsamerweise fliegt auch ein einziges von bestimmt 30 Büchern aus unserem Bücherregal. Es ist der Segelführer "Karibik". War das ein Omen für die anstehende Entscheidung in unserem Segeljahr?
Von freundlichen Fischern und fiesen Plastikflaschen
Es gibt sie in vielen Facetten, die ordentlichen, tagsüber einigermaßen sichtbaren, wie nach Vorschrift einer Fischereigenossenschaft herdgestellten, manchmal sogar mit Wimpelchen in den Nationalfarben Rot und Grün, oder das andere extrem, eine alte Plasteflasche oder ein alter Kanister mit einer dicken Angelschnur dran die sich manchmal über, aber oft auch unter Wasser verstecken. Ich Rede von den Bojen an den Fischfallen der Fischer auf See. Die portugiesische Westküste gleicht einem Mienenfeld aus Fischerbojen. Für Fischer sind sie oft Lebensgrundlage, für uns Segler eine ständige, oft unsichtbare Bedrohung. Eine Leine im Propeller und schon ist man manövrierunfähig.
Und doch: Die Begegnungen mit Fischern sind herzlich. Mit einem Lächeln oder einem Winken erkennt man sofort – hier draußen sitzen wir alle im selben Boot. Segler dürfen mit ihrem Beiboot oft an den Schwimmstegen der Fischer im Hafen festmachen und es herrscht ein rauher, aber freundlicher Umgang, auch wenn man manchmal die Sprache des anderen nicht versteht. Wenn die Fangflotten zurück in den Hafen tuckern, lärmt es wie beim Einzug eines Fußballvereins: Scheinwerfer blenden, Motoren knattern, und die Fischer rufen sich im Chor Neuigkeiten zu, während der Fang an Land gezogen wird. Damit Fischfallen nicht zu Segelbootfallen werden, hilft nur, Aufklärung bei den Fischern, bei den Seglern Augen auf und vielleicht ab und zu ein Schuss Rum für Neptun ins Meer schütten.
Wiedersehen mit Lissabon
Es war wie ein „Nach-Hause-Kommen" als wir am Morgen des 10. September wegen schwachem Wind entschieden, unsere Fahrt nach Süden für einen Tag in Cascais vor Lissabon zu unterbrechen. Vor malerischer Kulisse liegen, Schlaf nachholen, später einen Landausflug machen, essen gehen und Brot für die nächsten Tage kaufen (unser Lieblingsbäcker war leider nicht mehr da). Dann das Boot wieder klarmachen, damit es am kommenden Tag nach Sines weitergehen kann.
Zwei Tage im „Waschgang"
Es gibt 2 Windrichtungen, die Segler nicht leiden können: Wind von vorn und Wind direkt von hinten. Von vorn kann sicher jeder verstehen. Hat man den Wind allerdings direkt von hinten, wird man meistens ordentlich durchgerollt, weil die Segel flach vor dem Wind liegen und dem Boot keine seitliche Stabilität geben. So geht es für uns zweit Tage im „Waschmaschinenschleudergang" weiter.
Zwischenstopp bei Vasco da Gama – Vorsicht Abzocke!
Wie segeln Schmetterling oder "wing-on-wing" wie die Engländer sagen, haben die Genua an Backbord ausgebaumt und das Großsegel mit dem Bullenstander an Steuerbord gesichert, einer Leine, die den Baumgegen Überkommen gesichert. So segelt es sich ganz komfortable, wenn genug Wind ist und die Wellen günstig. Wir kommen gut voran und laufen in de Geburtsstadt Vasco da Gamas, Sines, zum Ankerstopp ein. Von anderen Seglern wissen wir, dass hier Ankerlieger abkassiert werden, und zwar dann wenn Sie im Ankerbereich zu weit in Richtung Marina liegen. Es wird dann behauptet, die Marina sei berechtig hier für das Ankern Gebühren zu erheben, weil man Gast der Marina sei. Also legen wir uns weit weg von der Ankerfalle, Platz war zum Glück genügend und werden auch nicht weiter belästigt.
Europas Südwestkap: Cabo da Sao Vicente
Ein weiterer Meilenstein unserer Reise – die Umrundung des Cabo da Sao Vicente und damit die Ankunft in der Algarve stehen an. Wir brechen bei Sonnenaufgang auf und wollen unbedingt bei Tageslicht in der Algarve sein, denn es lauert eine besondere Gefahr unter Wasser: Riesige Tunfischfallen.
Die verborgene Welt des Thunfischfangs
Die Algarve ist nicht nur ein Paradies für Touristen und Segler, sondern auch ein bedeutendes Gebiet für den traditionellen Thunfischfang. Die "Armações" – komplexe Netzsysteme, die teilweise bis zu 30 Meter tief und weit auf das Meer hinaus reichen – sind ein jahrhundertealtes Kulturerbe dieser Region. Auf ihren Zugbewegungen werden hier mit grobmaschigen Netzen traditionell die Tunfischschwärme befischt. Besonders zwischen Tavira und Sagres, wo wir nach der Kapumrundung entlangfahren, kann man von Mai bis September auf diese unsichtbaren Unterwasserlabyrinte treffen. Diese Netze sind auf Seekarten kaum verzeichnet und werden oft nur durch kleine, leicht zu übersehende Bojen markiert. Bei Nacht oder rauer See sind diese Markierungen praktisch unsichtbar.
Materialbruch vorm Kap
Der Wind wird unbeständiger und erst die Wellen… Der gemächliche Atlantikschwell hat eine Periodendauer von 8-10 Sekunden. Dieser wird jetzt zusätzlich überlagert mit Windwellen aus einer völlig anderer Richtung von 4 Sekunden Periode. Ich erinnere mich leise an meinen Physikunterricht – Wellenüberlagerung und Interferenzen, heute hautnah... Eine ruppige Kreuzsee lässt FRODO gewaltig von links nach rechts rollen. Als dann noch der Wind nach Backbord dreht passiert es – unser schwerer Großbaum will die Seite wechseln und unser Bullenstander hilft das Schlimmste zu vermeiden. Dabei bricht einer von 3 Schweißpunkten am Baumbeschlag der Großschot. Zunächst aber bergen wir Großsegel und Genua, nehmen unser kleines und sogar nagelneues Kuttersegel an Steuerbord und dazu den Motor und „motorsegeln" die letzten 20 Meilen ums Kap zum Ankerplatz.
Hinterher analysiert man dann, musste das wirklich sein und was kann man besser machen. Der Materialbruch kam letztlich mit dadurch zustande, dass die Schweißnaht nicht ordentlich gearbeitet war, das sieht man sicherlich sogar auf den Fotos. Ein Großbaumbeschlag muss diese Kräfte aushalten können. Trotzdem hätten wir schneller auf die geänderten Bedingungen reagieren und die Segel früher bergen können. Da der Wind den ganzen Tag über schon unbeständig, wechselhaft und der Seegang schwierig waren und um noch bei Tageslicht zum Ankerplatz zu gelangen nicht langsamer segeln wollten, war diese Entscheidung zu spät gefallen. Gott sei Dank ist nichts schlimmeres passiert. Was wir noch nicht wissen, die Reparatur in Portugal wird uns noch eine ganze Weile beschäftigen.
Stürmische Ankunft in der Algarve
Während wir die Westküste ruppig hinunterschaukeln schweifen unsere Gedanken hin zur gemütlichen milden Algarve mit ihren geschützten Ankeroasen und feinen langen Sandstränden, wo man ganz relaxt und versteckt vorm wilden Schwell des Atlantiks mit einer leichten Mittagsbriese zur nahegelegenen Bucht segeln kann. Unser Begrüßungscocktail stattdessen: 30 Knoten Wind, Fallböen von der Steilküste und mit unserm kleinsten Segel geht's tapfer weiter vor Anker ins Nachtquartier vor Sagres. Das meistgetrunkene Bier Portugals heißt auch Sagres – ich hatte mir den Ort friedlicher vorgestellt. Am nächsten Morgen verlegen wir uns bei Tagesanbruch nach Lagos, wo uns dann endlich am Ende des Tages doch noch das Wetter versöhnt. Vergessen sind die Mühen der Vortage – wir sind am Südwestkap Europas vorbeigesegelt – wir können die wunderbaren Felsformationen mit dem eigenen Schlauchboot erkunden, ganz nebenbei machen wir unser eigenes Wasser und eigenen Strom – das ist ein tolles Gefühl!
Galerie: Portugals Westküste