Karibik oder Mittelmeer? Oder ist das die falsche Frage?

Wegweiser Karibik oder Mittelmeer

Am Scheideweg der Meere stehen wir nun – mit 2000 Seemeilen im Kielwasser und der vielleicht bedeutendsten Weggabelung unseres Segeljahres vor dem Bug. Nach Westen oder nach Osten? In den Atlantik hinaus oder ins Mare Nostrum hinein? Eine Entscheidung, die nicht nur über die nächsten Monate, sondern über die gesamte Dynamik unserer Reise bestimmen wird.

"Zwanzig Jahre von jetzt an wirst du mehr enttäuscht sein über die Dinge, die du nicht getan hast, als über die, die du getan hast. Also löse die Knoten, verlasse den sicheren Hafen. Erfasse die Passatwinde mit deinen Segeln. Erforsche. Träume. Entdecke." – Mark Twain

Unser Traumrevier: Die verlockende Karibik

Reiseführer für die Karibik
Seit Jahren in unserem Bücherregal: Der Karibik-Reiseführer

Seit Jahren steht ein verstaubter Segelführer "Karibik, British Virgin Islands" in meinem Bücherregal – ein stiller Mahner unseres lange gehegten Traums. Die Bilder sind in unseren Köpfen eingebrannt: türkisblaues Wasser, wiegende Palmen, puderweiße Sandstrände und eine schillernde Unterwasserwelt, die selbst Jacques Cousteau verzückt hätte.

Die Versuchung ist groß: Einfach in den Passatwind eintauchen und vier Wochen geradeaus segeln. Dann wären wir da, vielleicht kurz vor Weihnachten. Schließlich haben das andere schon mit einem Balsafloß geschafft (Thor Heyerdahl lässt grüßen!).

Wussten Sie schon? Die klassische Atlantiküberquerung von den Kanaren in die Karibik folgt fast exakt der Route, die Christoph Kolumbus 1492 nahm. Der Entdecker brauchte 36 Tage für die Überfahrt – moderne Segelyachten schaffen es in etwa 18-21 Tagen. In Tazacorte auf La Palma lagen wir vor einigen Jahren mit FRODO schon ganz nah beim vermeintlichen Entdecker Amerikas.

Als Chartercrew sind wir schon nördlich des Polarkreises und auf der Südhalbkugel gesegelt. Doch die Karibik? Ein weißer Fleck auf unserer persönlichen Seekarte. Die Hauptsaison ist der Winter, wenn die Hurrikans Ruhe geben. Eigentlich müsste man 3-4 Wochen Urlaub nehmen, ein Boot chartern und genießen. Aber sagen Sie das mal einer verbeamteten Studienrätin in Deutschland mit zwei Wochen Winterferien. Ausgeträumt? Doch 2025/26 ist es endlich soweit: ein ganzes Jahr auf eigenem Kiel! Damit ist die Karibik zum Greifen nahe. Oder doch nicht?

Die Großwetterlage und die Realität auf See

In der Welt der Fahrtensegler gilt: Willst du von Europa in die Karibik, starte im November von den Kanaren. Die klassische Atlantiküberquerung umfasst etwa 2.800 Seemeilen. Hin und zurück! Der Hinweg ist mit Passatwinden in ca. 20 Tagen machbar. Der Rückweg ist anspruchsvoller und sollte spätestens im Mai/Juni über die Azoren erfolgen.

Ja, auch Segler werden seekrank – die unbequeme Wahrheit

Vor der Abreise antworteten wir auf die Karibik-Frage stets mit einem vorsichtigen "Vielleicht". Ein Thema, das uns beschäftigt, ist die Seekrankheit. Selbst weltberühmte Segler sind nicht immun dagegen.

"Es gibt nur zwei Arten von Seeleuten: Die, die seekrank werden, und die, die lügen."

Vor der Abreise auf die Frage, ob wir in die Karibik aufbrechen, antworteten wir stets mit einem vorsichtigen "Vielleicht". Ein Thema, das uns beide immer wieder beschäftigt, ist die Seekrankheit. Man sollte es nicht meinen, aber selbst weltberühmte Fahrten- und Regattasegler sind nicht immun dagegen. Bevor wir uns zu zweit an einen 3-4 Wochen langen Schlag über den Ozean wagen, wollten wir unsere Erfahrungen auf dem ersten Teil der Reise abwarten. Würde sich unser Körper an die teilweise heftige Schaukelei gewöhnen können?

Und tatsächlich: Wir haben Glück! Während wir am Beginn der Reise auf der Ostsee einen wirklich harten Tag von Dänemark nach Fehmarn erlebten, konnten wir nach ca. 2000 Seemeilen vor der westportugiesischen Küste auf dem Weg zum Cabo de São Vicente von Glück reden, uns nicht um unsere Übelkeit kümmern zu müssen, sondern uns voll auf das Segeln konzentrieren zu können. Das sind gute Nachrichten!

Allerdings wissen wir auch, dass der Anpassungseffekt nachlässt, wenn der Körper sich an ruhigere Zeiten gewöhnt hat. Nach jedem längeren Landaufenthalt müssten wir uns wieder neu akklimatisieren – ein nicht zu unterschätzender Faktor.

Entscheidung mit Fragezeichen
Die große Frage: Wohin soll die Reise gehen?

Unsere Gedanken nach 2000 Seemeilen – Zeit für eine Entscheidung

In den letzten Wochen sind wir um das halbe Europa gesegelt und haben überwältigend viele Eindrücke gesammelt. Dabei haben wir eine wichtige Erkenntnis gewonnen: Ein Jahr kann plötzlich erschreckend kurz werden, wenn man es gegen die Weite des Meeres und die Fülle der Möglichkeiten hält. Um voranzukommen und dem Wetter davonzufahren, mussten wir an vielen wunderschönen Plätzen vorbeisegeln. Oft sind wir aufgebrochen, obwohl wir noch so vieles hätten erkunden wollen. Uns und FRODO geht es gut, wir wollen Zeit für uns und die Schätze, die noch vor uns liegen. Wir wollen auch an den Rückweg denken und uns rechtzeitig und ohne Druck wieder auf den langen Weg in die Heimat machen, wo Familie, Freunde und ein schönes Zuhause auf uns warten.

Nun stehen wir an der Weggabelung und haben uns nicht ohne ein weinendes Auge entschieden.

Wir wissen nun, was wir NICHT machen werden: DIE KARIBIK.

Diesen Traum zu verwirklichen würde bedeuten, zwei Monate von zwölf allein nur auf See zu verbringen. Im Frühjahr 2026 müssten wir mit straffem Zeitplan und ohne Puffer für Muße an schönen Orten oder mögliche Reparaturen von der Karibik nach Deutschland zurücksegeln. Das klingt mehr nach Stress als nach Traum.

Die große Entscheidung: Karibik vs. Mittelmeer

Aspekt Karibik Mittelmeer
Wetter Konstante Passatwinde, ganzjährig warm Milde Winter, perfekte Segelbedingungen im Frühjahr/Herbst
Anreise 3-4 Wochen Atlantiküberquerung, hohe Belastung - und die Gewissheit, der zeitlich knappe Rückweg wird länger und härter Bereits erreicht, keine weiteren Langstrecken
Kultur & Geschichte Begrenzt, hauptsächlich Kolonialgeschichte Jahrtausendealte Zivilisationen, kulturelle Vielfalt
Unterwasserwelt Spektakuläre Korallenriffe, bunte Fischwelt Teilweise überfischt, aber auch geschützte Bereiche
Infrastruktur Weniger Marinas, schwierige Versorgung Hervorragende Marinas, gute Versorgung
Kosten Hohe Lebenshaltungskosten, teure Marinas Saisonabhängig, im Sommer sehr teuer
Sicherheit Regionale Unterschiede, teilweise Vorsicht geboten Überwiegend sicher, gute Notfallversorgung
Zeitplan Strenger Zeitplan wegen Hurrikansaison und Rückkehr im Juni 2026 Flexibler, weniger saisonabhängig

Was steht jetzt auf dem Plan?

Tranquillo – zunächst wollen wir das Wetter und die Zeit im Süden Europas genießen, dann vielleicht 2 Monate an einem sicheren und möglichst auch schönen Ort verbringen, an dem wir uns ebenso um FRODO wie um uns selbst kümmern können. Ob dies kompromisslos gelingen wird bleibt abzuwarten. In der Algarve mussten wir schon erfahren, wie man abgewiesen werden kann, so dass es möglicherweise einiger Arbeit bedarf, diesen Ort zu finden. Vielleicht war das Bild mit nur zwei Wegweisern auch unvollständig. Vielleicht wird es sogar weder Mittelmeer noch Karibik… Welcher Kontinent liegt nochmal südlich von Europa? Bis dorthin wäre es nur eine Tagesreise. Die Erfahrungen der kommenden Wochen werden uns mit Sicherheit weiterbringen.

Manchmal ist der Weg das Ziel, und die besten Abenteuer sind die, die man nicht geplant hat. Vielleicht entdecken wir Orte, die in keinem Reiseführer stehen, oder finden unsere ganz persönliche Definition von Paradies – fernab der ausgetretenen Pfade. Vielleicht sehen wir bei Gibraltar den idealen Poniente nach Osten wehen, der uns weit ins Mittelmeer mitnimmt, vielleicht bläst der Wind aber auch von Nord oder von Ost.

Cappuccino genießen
Zeit zum Genießen - ein Cappuccino in der Sonne
FRODO beim Leuchtturm
FRODO vor einem Leuchtturm (Farol) - bereit für neue Abenteuer

Eines ist sicher: FRODO trägt uns sicher über die Wellen, wohin auch immer der Wind uns treibt. Und am Ende ist es nicht das Ziel, das zählt, sondern die Geschichten, die wir zu erzählen haben werden.

Bleibt an Bord und segelt mit uns – wohin auch immer die Reise geht!